Zum Gedenken an die Deportation der Würzburger Juden

Vom Verladebahnhof Aumühle wurden 1941 bis 1943 über 1.500 jüdische Bürger Würzburgs in die Vernichtungslager deportiert und dort fast ausnahmslos ermordet.

Zum Gedenken an die Deportation der Würzburger Juden hat unser Stadtrat Heinrich Jüstel eine Gedenktafel gestiftet. Sie wurde am 27.11.2003, dem 62. Jahrestag der ersten Deportation gegenüber dem Verladebahnhof Aumühle in Anwesenheit von Dr. Josef Schuster (1. Vors. der Jüdischen Gemeinde in Würzburg und Unterfranken) und Bürgermeisterin Marion Schäfer enthüllt.

Nachdem die Gedenktafel im Nov.2012 vandalisiert wurde, fand die Wiedereinweihung der erneuerten Tafel im Beisein des 2. Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Würzburg und Unterfranken am 4.6.2013 statt. Die Ansprache hielt diesmal berufsm. Stadtrat und Stadtschulrat Muchtar Al Ghusain.

Stiftungsrede (2003)

Meine sehr verehrten Damen,
meine sehr geehrten Herren,

ich darf Sie zu der Enthüllung der Gedenktafel für die Opfer der Deportationen aus Würzburg herzlich begrüßen.

Sie werden sich sicher fragen, was mich veranlasst hat, eine Gedenktafel zu stiften. In Lengfeld wohnend, fahre ich hier täglich mehrmals vorbei und würde, wenn historisch nicht interessiert, diesen Ort wie jeden anderen Ort an einer Einfahrtstraße nach Würzburg als Ort geschäftigen Treibens empfinden. Welche Bedeutung der Verladebahnhof Aumühle für die jüdischen Bürger Würzburgs hatte und hat, wurde erst in den letzten 10 bis 20 Jahren öffentlich, als man ernsthaft begann, die Gräuel der Nazis auch regional, also in unserer Stadt aufzuarbeiten.

Das Zusammenspiel aus historischem Datum – der 27.November 1941 jährt sich zum 62ten Male -, aus historischem Ort und die Zusammenarbeit deutscher sowie jüdischer Bürger dieser Stadt verleiht Gedenkdatum und ebenso Gedenkort Legitimität und entspricht meinem Bedürfnis nach eindeutiger Symbolik: “Die Faszinationskraft des ‘authentischen Ortes’ speist sich aus der Vorstellung, dass hier gegenüber des Verladebahnhofs Aumühle, mehr als anderswo, das Vergangene gegenwärtig sei. Dieses Charakteristikum hat der ‘authentische Ort’ mit dem Jahrestag gemein. Indem er jährlich wiederkehrt, scheint mit ihm auch etwas von der historischen Begebenheit in die Gegenwart zurückzukehren, an die er erinnert.”

Tafel2013
(klicken, um die Darstellung zu vergrößern)

Aber es gibt auch sehr achtenswerte Argumente auf der Seite derjenigen, die Gedenktafeln und Mahnmalen grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen. Immerhin berührt der Holocaust aber auch der Umstand, dass jüdische Bürger dieser Stadt aus der Gemeinschaft der Bürger ohne Aufschrei herausgerissen werden konnten, die "Grenze unseres Verstehens", wie es Hanno Loewy treffend ausgedrückt hat. Konnte deshalb die Antwort für mich heißen, auf eine Gedenktafel zu verzichten? Ich sage ganz entschieden: Nein! Natürlich stimmt es, wenn Ignatz Bubis in der beginnenden Diskussion um das Berliner Holocaust-Mahnmal sagte, er brauche ein solches Mahnmal eigentlich nicht, das wahre Mahnmal sei in seinem Herzen.

Trotzdem glaube ich persönlich, daß eine Gedenktafel so bescheiden wie sie hier ist, ebenso dazu geeignet ist, zum nachdenken anzuregen wie der gestern in Mannheim eingeweihte Leuchtkubus in dem die Namen aller Mannheimer Bürger eingraviert sind. Gedenktafeln dienen nicht nur dazu der Opfer zu gedenken sondern sollen auch zum Denken anregen. Wenn vor dieser Gedenktafel Wegsehen und Gleichgültigkeit keinen Bestand mehr haben kann und Nachdenken erzeugt, hätte ich den Zweck erreicht.

Gedenken Aumühle
Stadtrat Heinrich Jüstel und Stadtschulrat Muchtar Al Ghusain bei der Enthüllung der Gedenktafel

Ich freue mich, daß Sie Frau Marion Schäfer, Bürgermeisterin und Bezirksrätin, und Sie Dr. Josef Schuster, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Würzburgs und Unterfrankens, heute gekommen sind um mit Grußworten aus Ihrer Warte die Bedeutung des Tages und des Anlasses zu bekräftigen. Besonders bedanken möchte ich mich bei Herrn Dr. Jochen Scheidemantel für seine spontane Bereitschaft, die Gedenkansprache zu halten. Mein Dank gebührt aber auch Frau Dr. Majida Hickethier, Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Lengfeld und Herrn Dr. Hans-Peter Baum des Stadtarchivs Würzburg, dafür, mir bei der Suche nach einem geeigneten Ort für die Gedenktafel und dem Text der Inschrift zusammen mit Herrn Dr. Schuster mit Rat und Tat zur Seite gestanden zu haben.

Herzlich bedanken möchte ich mich aber vor allem bei Herrn Peter Keil der Fa. Glas-Keil, der mir, als ich das Projekt vorstellte, sofort zusagte, daß die Gedenktafel an dieser Mauer angebracht werden kann. Ich hoffe, daß diese Gedenktafel dazu beitragen wird, dass in Zukunft alle Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt in Frieden und Eintracht zusammenleben können, so wie sich heute an dieser Stelle Menschen jüdischen Glaubens, Christen beider großer Konfessionen, Muslime und Atheisten versammelt haben.

27.11.2003 Heinrich Jüstel